„Ohne Patientenzufriedenheit ist unser Tun sinnlos“

Interview mit Egon Wiest, Geschäftsführer der ewimed GmbH

Patienten mit Pleuraerguss und Aszites, umgangssprachlich auch Wasser in der Lunge oder Bauchwasser genannt, kann eine Katheterbehandlung eine Erleichterung bringen. Das Medizintechnikunternehmen ewimed GmbH mit Hauptsitz in Hechingen-Boll hat mit seinem Konzept, Klinik und Homecare in diesem Bereich zu verbinden, neue Wege beschritten. Egon Wiest ist Geschäftsführer und Gründer des Marktführers bei Kathetern und Drainagesystemen. Mit Wirtschaftsforum sprach er über revolutionäre Ideen, Veränderungen durch Corona und Gefahren im internationalen Wettbewerb.

Egon Wiest, Geschäftsführer der ewimed GmbH
Egon Wiest, Geschäftsführer der ewimed GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Wiest, was hat Sie veranlasst, die Firma ewimed zu gründen?

Egon Wiest: Die Idee dahinter war, ein neues Produkt in Deutschland, Österreich und der Schweiz einzuführen. Es ging um ein Konzept, das es damals noch nicht gab: die Kombination von Klinik – in Form einer Katheterimplantation – und Homecare, also der Möglichkeit, sich zu Hause an diesen Katheter anzuschließen. Dieses Verfahren konnte man schon als revolutionär bezeichnen. 1991 habe ich die Firma gegründet und zunächst etwa zehn Jahre nebenberuflich betrieben. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um das Konzept in Zusammenarbeit mit einigen Kliniken und Krankenkassen zu entwickeln und umzusetzen. Später haben wir Niederlassungen und Handelspartnerschaften in Österreich, der Schweiz, Schweden und Ungarn gegründet. Das Patientenkonzept wurde in der ganzen Zeit kontinuierlich weiterentwickelt.

Wirtschaftsforum: Für welche Menschen haben Sie dieses Konzept entwickelt?

Egon Wiest: Das Verfahren wird angewendet, um Palliativpatienten, also Menschen, die sich am Ende ihres Lebens befinden, Erleichterung zu schaffen. Diese Menschen haben oft nicht mehr die Kraft, langwierige Genehmigungsverfahren mit den Krankenkassen durchzustehen. Durch unsere Kooperationen mit den Kassen konnten wir ihnen die Bürokratie vom Hals halten. Ein ganz neues Projekt verfolgen wir derzeit in Ungarn. Hier sind wir quasi noch einen Schritt weiter gegangen. Mit unserer Firma ewiCare können wir dort Patienten komplett versorgen und durch unsere eigenen Ärzte auch die Katheter implantieren. Unsere ersten Eindrücke von diesem Pilotprojekt sind sehr gut und eine Erweiterung ist durchaus denkbar.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich Ihr Unternehmen wirtschaftlich entwickelt?

Egon Wiest: Wir sind bisher jedes Jahr gewachsen. Im März und April dieses Jahres hatten wir durch Corona eine leichte Delle. Wir wurden zwar als systemrelevant eingestuft und konnten daher weiterarbeiten. Aber viele Patienten sind weggeblieben, weil sie in den Kliniken keine Termine bekommen haben oder aus Angst, sich anzustecken. Wir hoffen, auch zukünftig weiter zu wachsen. Dafür müssen wir auf uns aufmerksam machen. Ärzte und Patienten müssen erst einmal erkennen, dass es eine alternative Methode gibt.

Wirtschaftsforum: Worin sehen Sie persönlich Ihre Aufgabe, und welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Egon Wiest: Am Anfang war ich Einzelkämpfer und musste alles selbst machen. Heute sind viele Menschen beteiligt und ich muss lernen, dass Dinge nicht mehr so schnell umsetzbar sind. Es ist wichtig, ein guter Coach zu sein, Ideen zu geben, dafür zu sorgen, dass die Unternehmensziele richtig gesetzt sind, die Mitarbeiter mitzunehmen und zu motivieren. Ich muss auf andere vertrauen, denn bei unserer Größe kann man nicht mehr alles selbst kontrollieren. Mein Steckenpferd ist nach wie vor die Produktentwicklung. Wir haben die innovativsten Produkte am Markt. Die Herausforderung ist, Homecare-Systeme zur Verfügung zu stellen, die für jeden der individuell sehr unterschiedlichen Patienten geeignet sind. Ich sehe mich dabei als Impulsgeber für neue Produkte und zuständig für die Weiterentwicklung am Markt.

Wirtschaftsforum: Wovon lassen Sie sich bei Ihren Produktentwicklungen leiten?

Egon Wiest: Bei allem, was wir tun, haben wir, und damit meine ich jeden einzelnen Mitarbeiter, die Patientenzufriedenheit im Fokus. Ohne sie ist unsere Arbeit sinnlos. Wir wollen die ‘Drainagefirma’ bleiben und in diesem Bereich optimale Produkte entwickeln. Dabei konzentrieren wir uns auf Katheter und Drainagesysteme für zu Hause. Unser neuestes innovatives Produkt ist ein Katheter mit eingearbeitetem Silber, der Entzündungen verhindert und die Patienten dadurch noch besser schützt. Bei solchen Innovationen sind auch die kleinen Mittelständler wie wir gefragt. Bei den Zulassungsverfahren haben die Großkonzerne allerdings durch ihre größere Manpower Vorteile.

Wirtschaftsforum: Haben Sie diesbezüglich eine Botschaft an die Politik?

Egon Wiest: Sie sollte Gesetze mit Augenmaß verabschieden, damit wir in Europa nicht ins Hintertreffen geraten. Heute ist es einfacher, ein Produkt in Amerika zuzulassen als in Europa. Das ganze Entwicklungsgeld geht dorthin. Natürlich müssen Produkte sicher und zugelassen sein. Das darf aber nicht Innovation abwürgen.

Wirtschaftsforum: Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft?

Egon Wiest: Möglicherweise werden die Dienstleistungen mehr in den Vordergrund rücken. Es bleibt auch abzuwarten, welche Veränderungen Corona mit sich bringt, im Hinblick auf unsere Kommunikation mit den Ärzten, das Patientenverhalten, die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und die Rolle, die die Telemedizin spielen wird. Unser Ziel ist, Marktführer zu bleiben und die potenziellen Patienten zu erreichen. Ich sehe für das Unternehmen eine gute Zukunft. Meine Arbeit macht mir auch immer noch sehr viel Spaß, und ich habe noch viele Ideen, die ich umsetzen möchte.